Bereits zum dritten Mal trafen sich rund 150 Führungskräfte der Verwaltungen von Städten und Gemeinden sowie der Feuerwehren in Lübeck-Travemünde, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren, die den Unfallversicherungsschutz, Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Feuer-wehrdienst berühren.
Und an Diskussionsbedarf mangelte es nicht, denn im Tagungsprogramm standen neben den Themen "Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Feuerwehr", "Psychosoziale Notfallversorgung" und "Kinderfeuer-wehren" auch Beiträge aus den Bereichen Haftungsrecht ("Amtshaftung" und "Produkthaftung") sowie des Leistungsrechtes der gesetzlichen Unfallversicherung mit dem Thema "Vorschäden" .
Die thematische Bandbreite auf dem Kommunalforum der HFUK Nord wundert nicht, denn, so Lutz Kettenbeil, Geschäftsführer der HFUK Nord in seiner Einführungsrede "es gibt kaum mehr eine Entwicklung in den Freiwilligen Feuerwehren, die nicht auch die Belange der HFUK Nord betrifft. Wer wie die Feuerwehr-Unfallkasse mit Unfallverhütung, Heilbehandlung und der Kompensation von Unfallschäden zu tun hat, ist immer im Spiel", so Kettenbeil.
Dass derartige aktuelle Entwicklungen in den Feuerwehren längst angekommen sind, zeigen die Tagungsbeiträge zur "Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Feuerwehren".
In ihrem Einführungsvortrag ging Frau Gunda Voigts von der Universität Kassel auf den Ansatz Inklusion ein. Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch, ganz gleich welche körperlichen oder geistigen Behinderungen oder Einschränkungen bei ihm vorliegen, in seiner Individualität von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, in vollem Um-fang an ihr teilzuhaben oder teilzunehmen. Grundlage ist die UN-Behindertenrechtskonvention, ein von der Bundesrepublik Deutschland mit ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag, der die Menschenrechte für die Lebenssituation behinderter Menschen konkretisiert, um ihnen die gleichberechtigte Teilhabe bzw. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Inklusion längst gelebte Praxis
Nach dem fundierten Einführungsvortrag kamen die Praktiker zu Wort. Dirk Tschechne, Landesjugendfeuerwehrwart in Schleswig-Holstein, zeigte in seinem Beitrag auf, dass die Inklusion in den Jugendfeuerwehren längst im Alltag gelebte Praxis ist. Kinder und Ju-gendliche mit Behinderungen würden in den Jugendfeuerwehren mit offenen Armen empfangen, wofür es im Land Schleswig-Holstein eine Reihe gelungener Beispiele gibt, berichtete Tschechne. Grundsätzlich stehe die Jugendfeuerwehr Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Deutschen Jugendfeuerwehr dem Thema Inklusion offen und ohne Be-rührungsängste gegenüber, so der Landesjugendfeuerwehrwart weiter.
Dass auch die Freiwillige Feuerwehr vom Inklusionsgedanken profitieren kann, zeigte der Tagungsbeitrag von Timmy Schmidt, Gemeindefeuerwehr Barsbüttel. In seiner Wehr verrichtet ein Kamerad seinen Dienst, der nahezu gehörlos ist. Dank eines so genannten Cochlea-Implantates im Innenohr ist eine Verständigung möglich, so dass bestimmten Aktivitäten bei der Freiwilligen Feuerwehr nichts im Wege steht. Der Rahmen der dienstlichen Tätigkeiten wurde mit dem Feuerwehrangehörigen vorab beschrieben und gemeinsam vereinbart.
Unfallversicherungsschutz kontra Inklusion?
Sind denn alle, trotz vorhandener Einschränkungen durch Behinderung, in der Freiwilligen Feuerwehr gesetzlich unfallversichert? Dieser und weiterer kritischer Nachfragen stellte sich HFUK Nord-Geschäftsführer Lutz Kettenbeil auf der nachfolgenden Podiumsdiskus-sion zum Thema Inklusion. Kettenbeil konnte beruhigen: "Der Unfallversicherungsschutz steht z.B. der Aufnahme von Kindern bzw. Jugendlichen mit Behinderungen in die Jugendfeuerwehren nicht im Wege. Grundsätzlich besteht Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung, wenn eine offizielle Aufnahme als Mitglied in die Jugendfeuerwehr erfolgt ist. Im Vorfeld sollte überlegt werden, ob sich gegebenenfalls ein erhöhter Betreuungsaufwand ergibt und wie dieser sichergestellt werden kann.
"Werden Menschen mit Behinderung in die Freiwillige Feuerwehr aufgenommen, so muss vorher durch die Wehrführung, wie im Praxisbeispiel der Gemeindefeuerwehr Barsbüttel genau festgelegt werden, welche Aufgaben der bzw. dem Feuerwehrangehörigen übertagen werden können. Das kann abschließend z.B. in einer Dienstvereinbarung mit dem bzw. der betreffenden Feuerwehrangehörigen geregelt werden", führte der HFUK Nord Geschäftsführer weiter aus und fügte hinzu: "Entscheidend ist die Betrachtung des Einzelfalls bzw. der individuellen Fähigkeiten. Danach muss sich die Funktion in der Feu-erwehr richten. Es muss nicht jeder, der in die Freiwillige Feuerwehr aufgenommen wird, zum Atemschutzgeräteträger ausgebildet werden und an vorderster Front mitkämpfen. In jeder Feuerwehr gibt es Aufgabenbereiche von der Einsatzplanung und -verwaltung über Brandschutzerziehung bis hin zur Betreuung des Internetauftrittes, für die man nicht die körperliche, 100-prozentige Fitness haben muss, wie sie ein Atemschutzgeräteträger benötigt", so Kettenbeil.
Gesundheitsmatrix in Vorbereitung
Zu einem probaten Mittel, die körperliche bzw. gesundheitliche Eignung von Feuerwehr-angehörigen besser einschätzen und einer Funktion innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr zuordnen zu können, könnte sich die Gesundheitsmatrix der HFUK Nord entwickeln. Den ersten Entwurf stellte Dirk Rixen, Aufsichtsperson in Ausbildung bei der Feuerwehr-Unfallkasse in seinem Tagungsbeitrag vor.
Gedacht ist die Matrix als Hilfsmittel für Ärzte und Wehrführungen als unterstützender Leitfaden, um im Einzelfall differenzierter entscheiden zu können, wenn es um die Frage geht, wer mit welchen gesundheitlichen Voraussetzungen welche Aufgaben innerhalb der Feuerwehr wahrnehmen soll. Die HFUK Nord ist damit dem Inklusionsgedanken ein Stück voraus geeilt, bietet doch die Gesundheitsmatrix neue Chancen, Menschen den Weg in die Feuerwehren zu ebnen, denen man vorher auf Grund körperlicher Einschränkungen nur die Aufnahme in die Ehrenabteilung anbieten konnte. Derzeit wird die Gesundheitsmatrix in enger Abstimmung mit Ärzten fortentwickelt und soll im Frühjahr 2013 in einer ersten anwendbaren Fassung vorliegen.
Heikles Thema Vorschädigung
Um das Thema Gesundheit ging es auch in dem Tagungsbeitrag "Vorschäden und Vorsorge", in dem HFUK Nord-Geschäftsführer Lutz Kettenbeil eine Problematik ansprach, die für Unmut bei den Betroffenen sorgt: Die Feuerwehr-Unfallkasse muss einen Arbeitsunfall ablehnen, da nicht das Unfallereignis ursächlich für den eingetretenen Gesund-heitsschaden war sondern eine Vorschädigung. "Streitfälle ergaben sich in der Vergan-genheit beispielsweise bei Schäden an Knie- und Schultergelenken, Riss der Achillissehne sowie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nicht selten kamen Gutachter zu dem Schluss, dass kein Arbeitsunfall vorlag und die Zuständigkeit vom Unfallversicherungsträger auf die Krankenkasse überging, womit die Feuerwehrangehörigen nicht einverstanden waren", führte Kettenbeil aus. "Die Feuerwehr-Unfallkasse leistet jedoch nicht, weil sie nicht will, sondern weil sie nicht darf. Sie muss als Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung beim Vorliegen eines Arbeitsunfalles entschädigen, liegt kein Arbeitsunfall vor, ist gesetzlich festgelegt, dass die Krankenkasse zuständig ist", so Lutz Kettenbeil weiter und wagt den Blick über den Tellerrand: "Die gesetzliche Unfallversicherung der Schweiz (SUVA) entschädigt auch die sogenannten unfallähnlichen Körperschädigungen (UKS). Darin enthalten sind beispielsweise oben genannte Fälle von Schädigungen der Schulter oder des Kniegelenks, auch wenn deren wesentliche Ursache nicht das Unfallereignis, sondern ein Vorschaden war. Ein möglicher Lösungsweg: Die HFUK Nord könnte von den Kostenträgern mit der Entschädigung von UKS beauftragt werden. Analog des Systems der Entgeltfortzahlung wäre dann ein gesonderter Umlagebeitrag fällig. Als gesetzliche Grundlage dafür müsste vorab eine Änderung in den Brandschutzgesetzen im Geschäftsgebiet der HFUK Nord erfolgen", so Kettenbeils Überlegungen.
Feuerwehr-Unfallkasse engagiert sich in der Psychosozialen Notfallversorgung
Da einmal mehr die Feuerwehrangehörigen als Menschen im Mittelpunkt des 3. HFUK-Kommunalforums standen, galt ein Themenblock der psychischen und seelischen Gesundheit der Einsatzkräfte. Ilona Matthiesen, Sachgebietsleiterin Leistungen bei der HFUK Nord, stellte aktuelle Fallzahlen zur Posttraumatischen Belastungsstörung vor und referierte über aktuelle Behandlungsstrategien und -leitlinien. Ulf Heller, Aufsichtsperson der HFUK Nord, berichtete in seinem Beitrag über die unterschiedlichen Netzwerke und Strukturen der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) im Geschäftsgebiet der Feuerwehr-Unfallkasse und die Unterstützungsmöglichkeiten, die die HFUK Nord in diesem Themenfeld leistet. So hat die Kasse die Schaffung landesweiter PSNV-Strukturen sowie die Aus- und Fortbildung in diesem Bereich finanziell unterstützt und zudem um-fangreiche Informationen für Feuerwehrangehörige zum Thema PSNV in ihrem Internet-auftritt unter www.hfuk-nord.de bereitgestellt.
WER steht WANN für WAS gerade?
Fragen zum Haftungsrecht werden im Feuerwehrbereich immer wieder "heiß" diskutiert und gehören damit gewiss zu den "heiklen" Angelegenheiten. Dem Haftungsrecht wurde damit beim 3. HFUK-Kommunalforum gleich ein ganzer Themenblock gewidmet. Fachli-chen Input zur "Amtshaftung" lieferte Frau Regierungsdirektorin Claudia Lindemann aus dem Brand- und Katastrophenschutzreferat im schleswig-holsteinischen Innenministerium. Fehler passieren auch bei der Feuerwehr, selbst wenn sie noch so gewissenhaft arbeitet. Die Amtshaftung greift beispielsweise dann, wenn durch die Feuerwehr Schäden bei Dritten verursacht werden und hält die Ansprüche der Geschädigten von den Feuer-wehrangehörigen fern - es sei denn, es sind Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit im Spiel. Dann kann Regress genommen werden. Frau Lindemann konnte jedoch Entwarnung geben, solche Fälle sind äußerst selten. In der Regel steht die Gemeinde gerade und reguliert über ihre Haftpflichtversicherung derartige Schäden.
Wenn nicht gehalten wird, was versprochen wurde: Leidiges Thema Produkthaftung
Immer wieder im Fokus beim Thema Haftungsrecht ist die Produkthaftung bei der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) für die Feuerwehr. Diese ist teuer, soll sicher sein und außerdem eine Weile halten. Leidige Erfahrungen haben Städte und Gemeinden jüngst bei der Beschaffung von Feuerwehrstiefeln eines bestimmten, nicht mehr am Markt aktiven Anbieters gemacht. Kostengünstig wurden die Stiefel vielerorts in großen Stückzahlen gekauft, doch dann stellte sich heraus, dass enorme Sicherheitsmängel an dem Schuhwerk auftraten. Die meisten Gemeinden blieben auf ihren Rückge-währsansprüchen sitzen, denn nach kurzer Zeit war der Stiefel-Produzent in Insolvenz. Solche und ähnliche Fälle stellte HFUK Nord-Geschäftsführer Lutz in einem weiteren Tagungsbeitrag dar und ging auf die Grundsätze der Produkthaftung ein. "Wichtig ist, ganz genau mit dem Lieferanten zu vereinbaren, welchen Eigenschaften und Normen das zu beschaffende Produkt erfüllen muss. Und besonders auf dem Markt der PSA für Feuer-wehren gilt: Wer billig kauft, kauft am Ende häufig zweimal", resümierte Kettenbeil.
Gabriela Kirstein, stellvertretende Geschäftsführerin der HFUK Nord, stellte im dritten Beitrag aus dem Themenblock Haftungsrecht das Grundprinzip der Haftungsablösung in der gesetzlichen Unfallversicherung an mehreren Beispielen anschaulich dar. Städte und Gemeinden als Kostenträger der Feuerwehr-Unfallkasse profitieren als Solidargemein-schaft von diesem Grundsatz, der regelt, dass sich die Ansprüche der Unfallverletzten auf Entschädigung an die Feuerwehr-Unfallkasse richten. Diese trägt nach einem Unfall im Feuerwehrdienst die Kosten für Heilbehandlung und Entschädigung, die sonst gerade für die kleineren Kommunen sofort das finanzielle Aus bedeuten würden.
Alte Fahrzeuge neu aufgebaut - lohnt sich das?
Thomas Zawadke, Ingenieur für Fahrzeugtechnik und unabhängiger Gutachter, beleuchtete in seinem Vortrag die Praxis des "Refurbishing", d.h. den Wiederaufbau alter Feuerwehrfahrzeuge, damit diese danach für viele Jahre weiterhin ihren Dienst versehen. Oft-mals haben die Autos schon jahrzehntelangen Einsatzdienst auf dem Buckel. Nicht immer ist dann mit dem Wiederaufbau der Sicherheit gedient, vor allem dann nicht, wenn der Stand der Technik in Sachen Sicherheit keinen Einzug gehalten hat, z.B. Sicherheitsgurte in der Mannschaftskabine nach wie vor fehlen oder der Geräteaufbau zwar neu ist, aber das Bremssystem des Fahrzeuges auf dem Sicherheitsniveau von 1982 belassen wurde. Insofern sieht die HFUK Nord das Refurbishing dann nicht unkritisch, wenn die Sicherheit der Feuerwehrangehörigen dabei keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Das 3. HFUK Kommunalforum ging mit einer offenen Diskussionsrunde zu Ende, bei der aus der Teilnehmerschaft Anliegen und Themenwünsche für zukünftige Kommunalforen der Feuerwehr-Unfallkasse geäußert werden konnten. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt. Die gute Tradition des Dialogs zwischen Unfallversicherungsträger, Seite der Kos-tenträger und Führungskräften der Feuerwehren wird mit der Tagungsreihe "HFUK-Kommunalforum" auch in Zukunft fortgeführt werden.
Alle Tagungsbeiträge im Detail befinden sich auf den Internet-Seiten der HFUK Nord unter www.hfuk-nord.de und können dort angesehen und heruntergeladen werden.
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